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Was unterscheidet Freimaurer-Logen von anderen Vereinigungen?

Freimauer arbeiten an ihrer Persönlichkeit, an der ständigen Weiterentwicklung und an ihrer eigenen Vervollkommnung. Sie wissen allerdings um die Unerreichbarkeit dieses Lebensziels. Die Tempelarbeit dient dem Bemühen, sich immer wieder der eigenen Arbeits- und Entwicklungsfelder bewusst zu werden und sich im vertraulichen Gespräch mit den Logenbrüdern Kraft und Rat zu holen.

Mit anderen Worten: Freimaurer-Sein ist kein Ist-Zustand, sondern ein permanenter Entwicklungsprozess. Nichts Statisches, sondern voller spannender Dynamik.

Um uns persönlich kennen zu lernen, freuen wir uns auf Ihren Besuch auf einem unserer nächsten Gästeabende.


Misericordia - die Tugend der Barmherzigkeit

Schlägt man den Brockhaus auf, dann findet man unter Barmherzigkeit: „Der dem Gefühlsantrieb des Mitleids aufnehmende Ausdruck der christlichen Nächstenliebe.“

Was für ein klinisch fast steriler Ausdruck für eine sehr emotionale selbstlose Handlung! Die umgangssprachliche Formel „Mitleid und Barmherzigkeit” deutet an, dass hier Unterschiedliches vorliegt, dass es also bei der „Barmherzigkeit” weniger um ein Mit-Fühlen als um eine dessen nicht bedürftige Großherzigkeit geht. Sie gilt als eine der Haupttugenden und wichtigsten Pflichten der monotheistischen Religionen Judentum, Christentum, Islam, Bahai sowie anderer Religionen wie Buddhismus und Hinduismus.

Ziehen wir die Bibel zu Rate, dann spielt Barmherzigkeit bei Matthäus eine nicht unerhebliche Rolle. Barmherzigkeit gründet auf die von Jesus für das Reich Gottes erhobene Forderung nach Matthäus 25, 35-36:

Denn ich bin hungrig gewesen, und ihr habt mir zu essen gegeben; ich bin durstig gewesen, und ihr habt mir zu trinken gereicht; ich bin ein Fremdling gewesen, und ihr habt mich beherbergt; ich bin ohne Kleidung gewesen, und ihr habt mich gekleidet; ich bin krank gewesen, und ihr habt mich besucht; ich habe im Gefängnis gelegen, und ihr seid zu mir gekommen.

Diese Liste ist in die Theologiegeschichte eingegangen als die „Werke der Barmherzigkeit“. Ein siebtes Werk, die Toten zu bestatten, wurde von dem Kirchenvater Lactantius (+ ca. 320 n. Chr.) mit Bezug auf das apokryphe Buch Tobit (Tob 1,17-20) hinzugefügt und hat sich in der Folge als Bestandteil der sieben Werke der Barmherzigkeit etabliert. Die Liste umfasst also folgende Verhaltensweisen:
 
  • Hungrige speisen
  • Durstige tränken
  • Fremde beherbergen
  • Nackte bekleiden
  • Kranke besuchen
  • Gefangene befreien
  • Tote begraben

In der Geschichte der Menschheit hat es immer wieder herausragende Beispiele für Barmherzigkeit gegeben. Denken wir beispielsweise an St. Martin, dessen Festtag wir unlängst begangen haben. Ein mittelloser Ritter der nichts außer seinem Pferd und seinen Mantel hat, trifft auf einen Bettler und gibt ihm die Hälfte seines Mantels ab, um ihm vom Erfrierungstod zu retten.


Wer in den letzten Tagen Zeitung gelesen hat oder bei Facebook unterwegs war, hat gelesen, was Barmherzigkeit in unserer Zeit sein kann: Ein New Yorker Polizist schenkt einem Obdachlosen ein Paar Socken und Schuhe. Jennifer Foster aus Florence, Arizona, die mit ihrem Mann auf dem Times Square unterwegs war, hat ein Bild davon gemacht und online gestellt.


Aber ist das Barmherzigkeit, wenn wir je nach finanziellen Möglichkeiten einen Geldbetrag SPENDEN? Oder sind "Gaben der Liebe", unabhängig vom Bestimmungszweck, somit eine Handlung, die dem Verständnis der Barmherzigkeit symbolhaft nahe kommt? Andererseits ersetzt symbolhaftes Handeln nicht das barmherzige Gegenüber zum konkreten Menschen!


Barmherzigkeit ist kein Exklusivrecht des Christentums, sondern alle monotheistischen Religionen und auch weitere Glaubensrichtungen fordern Barmherzigkeit als Zeichen der Mitglieder ihrer Glaubensgemeinschaft ein, weil sie die Eigenschaft der Gottheit im Alltag der Gläubigen widerspiegelt. Wir können uns in unserer zivilisierten Welt unseres Landes glücklich schätzen, dass diese Tugenden der Barmherzigkeit, nämlich

  • den Dürstenden zu Trinken geben und
  • den (vielleicht zu Unrecht) im Gefängnis Sitzenden zu besuchen bzw. zu befreien

bei uns bedeutungslos geworden sind, weil sie als selbstverständlich gelten.

Dennoch täte unserer schnelllebigen Gesellschaft mehr konkrete und Menschen verbindende Barmherzigkeit gut.

Entwurf: Dr. Dr. Christian Römer